Dann nehm ich euch mal mit auf meine Abenteuerreise „Mitteldistanz“. Starten wir mit der Vorgeschichte: Plan A sah ursprünglich den Start beim Schloßtriathlon Moritzburg im Juni vor. Zwei Tage vor dem großen Tag suchte mich die Sommergrippe Heim und so war ein Start für mich nicht möglich. Nun kam Plan B zum Einsatz: Gesund werden, weiter trainieren und im August beim Knappenman XL starten. Somit lagen insgesamt 8 Monate gezielte Vorbereitung auf einem großen Tag hinter mir. Doch 1,5 Wochen davor war ich wieder krank mit einer dicken Erkältung. Somit drohte nun auch Plan B zu scheitern. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und ich versuchte mit allerlei natürlichen Hilfsmitteln und einem selbst auferlegten Sportverbot wieder fit zu werden. Das gelang mir auch weitestgehend und ich fühlte mich trotz Schnupfen zumindest körperlich in der Lage dieses Abenteuer endlich anzugehen. Von Zielzeiten etc. hatte ich mich verabschiedet. Ich wollte „das Ding einfach nur finishen“. Das nahm in gewisser Weise etwas Anspannung heraus, aber ich wusste auch dass es unter diesen Umständen sehr hart werden würde. Die Aufregung hielt sich in Grenzen, die Kinder waren durch Papa und ihren Großeltern bestens versorgt und ich konnte mich bestens auf die Einrichtung meiner Wechselzone konzentrieren. Ich lag gut im Zeitplan, konnte in Ruhe die Toilette aufsuchen und mich kurz vor der Wettkampfeinweisung am Strand umziehen und anschließend einschwimmen.
1,9km Schwimmen
Das Wasser hatte eine Temperatur von 20°C, die Sonne verabschiedet sich kurz vor dem Start hinter den Wolken und ich befand mich mit knapp 300 Triathleten im Startbereich. Alle konzentriert, alle ernst und keiner machte wie sonst irgendwelche lustigen Sprüche. Im Gegenteil: man sprach sich gegenseitig Mut zu oder gab den Neulingen Tipps. Daniela, welche ich in der Wechselzone kurz vorher erst kennengelernt hatte, stand nun wieder neben mir. Es war ihre zweite Mitteldistanz und sie gab mir den Rat ruhig zu beginnen und möglichst bis zur ersten Wendeboje meinen Rhythmus zu finden. Genau das war auch mein Plan. Der Startschuss fiel und wir begaben uns alle zügig unter dem Applaus der Zuschauer und dem Song „Highway to hell“ ins Wasser. 1900m Schwimmen am Stück- eine große Runde gegen den Uhrzeigersinn, vorbei an zwei Wendebojen- das stand uns als erste Disziplin bevor.
Ruhig und viel zu langsam bin ich das erste Drittel bis zur ersten Wendeboje gekrault. Etwas mehr Tempo konnte ich erst im zweiten Teil der Schwimmstrecke aufnehmen. Ich versuchte nicht so viel über das nachzudenken, was noch bevorsteht, sondern mich auf das zu konzentrieren, was jetzt gerade ansteht. Und das war schwimmen. Ich achtete bewusst auf meine Technik und versuchte die Frequenz etwas zu erhöhen. Ich fühlte mich dabei ganz gut. Mittlerweile befand ich mich im hinteren Drittel im Starterfeld und die ersten Staffelschwimmer, die 5min nach uns gestartet sind, hatten uns schon eingeholt. Nach Passieren der letzten Wendeboje machten sich die ersten Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich bemerkbar. Das kannte ich vom schwimmen noch nicht. Doch bald war das Ufer erreicht und nach 50min begab ich mich auf einem relativ langen und etwas bergigen Weg in die Wechselzone. Gern wäre ich 5min schneller gewesen, aber egal. Mir ging es gut und die zweite Disziplin des Tages konnte beginnen.
90km Rad fahren
Nachdem das Schwimmen erfolgreich überstanden, der kleine Berge in die Wechselzone erklommen und der Neoprenanzug fast ausgezogen war, sah es beim ersten Wechsel ziemlich leer aus. Fast alle Räder waren schon unterwegs, auch von Daniela und Jana neben mir war nix mehr zu sehen. Ich hatte also genügend Platz für meinen ersten Wechsel und auch keinen Stress. Nach fünf Minuten waren alle Riegel verstaut, Helm und Brille auf dem Kopf sowie Handschuhe, Weste, Startnummer, Socken und Bikeschuhe angezogen. Jetzt noch ein paar Meter zu Fuß und dann ging es ab auf’s Rad. Drei Runden um dem See erwarteten mich, dabei ging es jedes mal zurück zum Zielbereich um so etwas bejubelt werden zu können. Und das war dieses mal so wichtig für mich. Auf der Strecke um den See ging es auf einem breit asphaltierten Radweg entgegen dem Uhrzeigersinn. Weit und breit keine Zuschauer, nur die Natur -Wald und Wasser- fast schon etwas skandinavisch- und ein paar Streckenposten- teils schlafend, teils lesend, teils jubelnd. Man hatte seine Ruhe und viel viel Zeit zum Nachdenken. Ab km 12 begann leider schon „mein Anlauf zum Sterben“. Seit der zweiten Geburt plagt mich linksseitig mein Iliosakralgelenk. Es ist mit der Zeit durch spezielle Übungen besser geworden und im Training konnte ich zum Schluss auch schmerzfrei 2h am Stück fahren. Nicht so bei der ersten Mitzeldistanz. Da sah’s ich nicht mal eine halbe Stunde auf dem Rad und schon kamen sie- die alt bekannten Schmerzen. Langsam, schleichend, dafür aber ausdauernd und hartnäckig. Die Sonne wurde zu diesem Zeitpunkt seit Startbeginn auch noch nicht wieder gesehen und mich fröstelt es trotz Windweste. Da bekam ich nun zu spüren, dass meine Erkältung noch nicht abgeklungen war. Mit der Zeit setzten Kopfschmerzen ein und gegen Ende der ersten Runde kamen die ersten Zweifel und Gedanken ans Aufgeben. Wenn ich daran dachte, was noch bevorsteht mit der momentanen Gefühlslage- dann sah ich schwarz. Doch mit Ende der ersten Runde meldet sich nun endlich das Engelchen und sprach mir Mut zu. Ich lag trotz meiner „Wehwechen“ im Zeitplan und finishte die erste Runde in 1h, das Wetter wurde besser und die Sonne kam wieder zum Vorschein. Aller halbe Stunde gab es einen halben Riegel und ein paar Schlucke aus der Radflasche. Doch die Kopf- und Rückenschmerzen wurden auf der zweiten Radrunde stärker. Ich begann zu überlegen und abzuwägen. Mein Kampfgeist blieb auf der Strecke und das hier und jetzt „genießen“ war mir nicht möglich. Doch auch am Ende der zweiten Radrunde konnte ich mein Tempo noch halten, ich wurde im Zielbereich von den Liebsten beim Flaschentausch bejubelt und schwups, schon war ich auf der dritten und so mit letzten Runde. „Und die würde ich jetzt auch noch schaffen…“ „… und danach kannst du aufhören und den restlichen Tag mit deiner Familie am Strand verbringen, die Kinder würden sich sicherlich freuen“ so das Teufelchen. „… Und dann steigst du vom Rad ziehst dir die Laufschuhe an und versuchst es wenigstens. Du hast nicht 8 Monate trainiert um aufzugeben, die Zeit ist egal. Beweg dich einfach- egal ob laufend oder walkend, das Ziel wird kommen. Denk an das Gefühl danach und vielleicht werden die Schmerzen auch besser beim Laufen“ so das Engelchen, das Teufelchen“ Vielleicht werden sie aber auch schlimmer…? Diese beiden haben mich die ganze Zeit unterhalten. So kann man auch 3h Radfahren mit Rücken- und Kopfschmerzen rum bekommen. In der Einfahrt zum Wechsel 2 jubelnden wieder Familie und Freunde und ich gab mit einem schmerzverzerrtem Gesicht zu verstehen, dass es mir nicht ganz so gut ging. Die ersten Meter vom Rad gingen wie erwartet einfach nur mies. Kurzer Halt in der Wechselzone für den Schuhwechsel und die Radabgabe und dann befolgte ich den Rat vom Engelchen und schleppte mich mit wenig Begeisterung auf die Laufstrecke …
21,1km Laufen
21,1km – ein Halbmarathon – nach 1,9km schwimmen und 90km Rad mit Rücken-& Kopfschmerzen. Von vornherein wusste ich, dass dieser letzte Wechsel mental die größte Herausforderung werden würde. So war es auch. Für meinen Kopf schien es zu diesem Zeitpunkt unmöglich, genau jetzt einen HM noch laufen zu können. In der Wechselzone überlegte ich nicht lange, tat einfach dass, was die anderen um mich herum machten: Schuhe wechseln und los laufen. Kurz nach der Wechselzone stand die ganze Familie versammelt, freudestrahlend, jubelnd, mit Kameras und Smartphones bewaffnet. Mir war ganz und gar nicht nach freudestrahlen und jubeln. Doch da stand er. Der kleine Junge am Streckenrand, der ebenso freudestrahlend auf mich wartet und seine Hand nach mir ausstreckte. Mein kleiner Sohn. Er freute sich so mich zu sehen und Hand in Hand ein paar Meter mit mir Laufen zu können. Er lachte dabei laut, nach ein paar Meter stoppten wir, ich gab ihm noch einen Kuss und erklärt ihn kurz, dass ich noch einen weiten Weg vor mir habe und allein weiter muss, er mich aber noch mal sehen wird. Kurz danach erwartet mich der ♡Mann. Er hatte während meines Radparts mein schmerzverzerrtes Gesicht richtig gedeutet und wollte wissen was los ist. Ich sagte ihm kurz, was dass hier für ein Sch… ist und ich nicht weiß ob ich es ins Ziel schaffe. Er machte mir Mut und sagte, dass ich doch noch ganz gut aussehen würde und ich eine super Radzeit habe… Mehr wollte und konnte ich nicht hören, ich bat ihn mich allein zu lassen weil ich einem Heulkrampf gerade sehr nahe war. Heulkrampf + Laufen = Überventilieren. Und so zog ich allein weiter, versuchte mein Tempo zu finden was zwischen 8,8 und 9,8km/h lag. Auf meinen Puls musste ich nicht achten, der Messgurt lag zu Hause. Ich hörte in meinem Körper hinein: die Kopfschmerzen wurden besser, die Atmung war ok, die Beine gut, die Rückenschmerzen schlecht. Mit jedem Fußabdruck zog es im Lendenwirbelbereich in allen Richtungen. Meine Hoffnung und Erfahrung bestand darin, dass es sich nach ein paar KM besser müsste. Somit war der Part abgehakt und ich dachte an das, was ich jetzt noch vor mir hatte.
Zwei Runden um dem See mit einer extra Wendepunktschleife galt es zu absolvieren. Aller 2,5km gab es eine Verpflegung mit Wasser, Cola, ISO und Schwämmen. Mein Plan war, mich von Verpflegung zu Verpflegung möglichst laufend zu schleppen, da genügend im Gehschritt zu trinken und aller 5km ein Gel zu mir zu nehmen. Doch bis zur ersten Verpflegung schaffte ich es nicht durchzulaufen. Die Schmerzen im Rücken waren einfach zu stark und ich hoffte dass es sich im Gehen etwas bessern würde. Das tat es auch. Nach 200m ging es weiter im Laufschritt und schon erspähte ich die erste Verpflegung. Also wieder im Gehschritttempo Getränke und Schwämme aufnehmen und weiter ging es. Kurz danach drückte nun die Blase. Ich hielt Ausschau nach einem geeigneten Örtchen und verschwand kurz im Busch. Das tat gut, nicht nur der Blase, sondern auch dem Rücken. Bald bog ich auf die extra Wendeschleife ein, immer wieder waren kleine Gehpassagen nötig, es ging leicht bergan- die Atmung und der Puls stiegen, und nur so konnte ich das Ziel erreichen. Nun war schon die zweite Veroflegung erreicht, das erste Gel kam zum Einsatz und wurde mit Wasser und Cola runtergespült. Nun folgte eine lange Gerade mit wenig Schatten. Es war eine Qual und schien endlos. Immer wieder kurz gehen, immer wieder laufen. Und mit der Zeit war das nächste Etappenziel erreicht: Verpflegung Nr.3. Und somit war es nicht mehr weit bis zur Hälfte des HM. Und da legte es endlich einen Schalter in meinem Kopf um: ich wusste wenn ich die erste Runde gepackt habe, dann würde ich es auch ins Ziel schaffen. Die Gedanken ans Aufgeben konnte ich nun langsam ad acta legen und die erste Runde in 1:15h beenden. Während der vierten Verpflegung konnte ich etwas Zielluft schnuppern und schon befand ich mich auf der letzten Runde. Nun kannte ich die Strecke und wusste, was noch kommen wird. Es wurde leerer um mich herum (parallel befanden sich die XXLer auf ihrer Marathonstrecke, die die komplette Ironman-Distanz bereits seit 7 Uhr in Angriff nahmen, somit das Doppelte von den Mitteldistanzlern, die 4h später gestartet sind). Ich befand mich immer noch im Lauf-Walking-Modus und merkte, wie es mir zunehmender schwindelig wurde. Leichte Übelkeit kam auch noch hinzu. Mittlerweile war ich knapp 5,5h unterwegs. So lange wie für meinen ersten Marathon beim Rennsteiglauf. Nur das „Ding“ hier geht noch etwas weiter. Ich überlegte was ich denn nur tun könnte damit es nicht schlimmer wird. Ich war soweit gekommen und jetzt womöglich noch umkippen…😓 Nein, nein, nein. Das darf einfach nicht wahr sein. Beim Gehen wurde es schlimmer, beim Laufen wieder etwas besser. Nur Durchlaufen war auch nicht möglich… dann die Gedanken bei der Verpflegung: Bingo. Ich hatte noch so ein Koffein-Boost-Liquid-Fläschen einstecken. Und das erzielte den gewünschten Erfolg und es ging mir schnell wieder besser. Erleichtert, dass nun auch dieses Wehwechen wieder verschwunden war und ich mittlerweile nur noch knapp 6km bis zum Ziel vor mir hatte, ging es munter weiter. Doch das nächste „Wehwechen“ ließ nicht lang auf sich warten. Mit einmal hatte ich so einen Druck auf der Blase, dass ich ganz schnell wieder ins Gebüsch springen musste. Viel „Wasser“ konnte ich nicht lassen, doch der Druck war weg. Das gleich Schauspiel gab es dann noch einmal 2km später nach Durchlaufen der vorletzten Verpflegung. Und nun war sie auch wieder da: die lange Gerade. Es waren nur noch 4km bis ins Ziel, die insgesamt 3 „Buschaktion“ hatten etwas Zeit gekostet und ich wollte nun versuchen ein etwas längeres Stück durch zulaufen. Mir ging es soweit ganz gut. Ich war dankbar, das Rücken- und Kopfschmerzen sowie Schwindel und Übelkeit verschwunden waren. Auch meine Blase hat sich nun wieder beruhigt und so konnte ich nun die letzten km bis ins Ziel etwas genießen-falsch gedacht! Wer mich näher kennt, weiß um meine Angst vor Schlangen. Auch Blindschleichen sind für mich Schlangen und genau über so etwas stolperte ich auf den letzen Kilometern. Ich habe sie erst kurz vor mir liegen gesehen und musst drüber springen um nicht drauf zu treten. Das ergab einen kleinen Krampf in der linken Wade (der zum Glück gleich wieder verschwand) und einen rechten umgeknickten Fuß. Dieser Schmerz bekleidete mich dann noch bis ins Ziel und machten leider noch einige kleine Gehpassagen nötig. Aber das war nun auch egal, dann ich werde finishen, ich werde das Ziel von meiner ersten Mitzeldistanz erreichen. Mit diesen Gedanken und nach all den Strapazen kullerten die ersten Freudentränen. Ich schluchzte weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, gerade noch einen HM gelaufen/gewalkt zu sein. Knapp einen km vor dem Ziel entdeckte ich den ♡Mann mit dem Chariot und unserem Töchterchen. Wieder überkamen mich Freudentränen. Das Ziel war nun greifbar und keine Gehpassagen mehr nötig. Auf den letzten Metern sah ich wieder diesen kleinen Jungen stehen, meinen kleinen Jungen. Genau wie am Anfang des HM. Nur dieses mal konnte ich freudestrahlend und jubelend auf ihn zu laufen um gemeinsam Hand in Hand das vermeidlich unmöglich möglich zu machen #crossingthefinishline #handinhand 😊